(Kapitel 1) Das Erdbeeben
Chloe zog hastig die Bürste durch ihr Haar. Sie war spät dran. An die Zeitumstellung hatte sie sich immer noch nicht richtig gewöhnt. Ihr Körper sagte ihr, dass es noch Zeit zum Schlafen war, aber die Sonne stand schon hoch am Himmel. Sie hatte schnell geduscht und beim Föhnen hatten sich die Haare wohl elektrisch aufgeladen, denn sie waren kaum zu bändigen. Ein paar ihrer langen, honigblonden Strähnen hingen zwar nach unten, aber die anderen hatten sich dafür entschieden, der Schwerkraft zu trotzen. „Ich sehe aus, als hätte ich in eine Steckdose gefasst“, murmelte sie. Mit einem verzweifelten letzten Blick in den Spiegel schnappte sie ihre Jacke und lief zur Tür. Als sie die Klinke in der Hand hielt, schaute sie sich noch einmal um, um sicherzugehen, dass sie nichts vergessen hatte. Schon entdeckte sie den Schlüssel, der noch auf dem Tisch lag, die Mütze, die noch nicht auf dem Kopf saß, und das kleine Lämpchen der Kaffeemaschine, das noch blinkte. Sie bewohnte ein winziges Zimmer im Studentenwohnheim des Institute of Technology in Tokyo. Ihr eigentliches Studium absolvierte sie in Deutschland, am Interfakultären Institut für Biochemie in Stuttlingen. Ihr Schwerpunkt war die Neurobiologie der Pflanzen. Sie erforschte, wie Pflanzen ihre Umwelt wahrnahmen und wie sie darauf reagierten. Sie war im dritten Semester und hatte die Möglichkeit, für drei Monate an einem Forschungsprojekt in Japan teilzunehmen. Natürlich hatte sie die Gelegenheit sofort ergriffen. Als eine Dozentin an ihrer Heimatuni das Projekt beschrieben hatte, schlug ihr Herz bis zum Hals. Das war genau das Richtige für sie! Es ging dabei um Pflanzen, die statt Süßwasser auch Salzwasser aufnehmen konnten. Da Japan eine Insel war und entsprechend viel Meerwasser zur Verfügung hatte, würde der Anbau solcher Pflanzen die knappen Trinkwasserreserven schonen. Und auch für andere Küstenländer konnte die landwirtschaftliche Nutzung von Salzwasserpflanzen von Bedeutung sein.
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